© Hans Schönherr
Vorwort
Ich werde ihn nun gehen: den Jakobsweg - auf der Via Coloniensis von Köln nach Trier.
Via Coloniensis (Quelle der Karte: Garmin Trip and Waypoint Manager v5)
Sicher - es ist nur ein kleines Stück, aber dies ist der Teil, den ich auf meiner letztjährigen
Pilgerfahrt mit dem Liegerad von Kiel nach Santiago de Compostella ausgelassen habe,
weil ich mir die Steigungen über die Eifel ersparen wollte und den Weg entlang an Rhein
und Mosel nach Trier genommen habe. Bekanntlich ist zwar jeder Weg, den man von
Zuhause nach Santiago nimmt, ein Jakobsweg, aber mir fehlt irgendetwas, wenn ich nicht
die Via Coloniensis gesehen habe. Und es fehlt etwas, wenn ich nicht - zumindest ein Stück
- auch einmal zu Fuß gepilgert bin. Also werde ich mich ab dem 24. September ab Köln auf
den Weg machen. Ich schätze, dass ich insgesamt etwa 10 Tage für die Strecke benötigen
werde.
Bis dahin gilt es noch einige Vorbereitungen zu treffen: Nachdem ich Probleme mit meiner
Hüfte habe, habe ich mir vorgenommen, mein Gepäck nicht zu tragen, sondern es mittels
meines "Pilgerwagens" zu transportieren. Den Bauplan hierfür habe ich von Achim
erhalten. Der Wagen ist fertig, muss aber noch ein wenig optimimiert werden. Ich denke,
dass die Benutzung solch eines Gefährts die Gelenke doch ganz schön entlastet. Weiter
muss ich mir noch ein paar Gedanken über die notwendige Ausrüstung machen. Es heißt
zwar immer, dass der Rucksack möglichst Gewicht sparend gepackt werden soll. Ich
glaube aber, dass ich aufgrund der Nutzung des Pilgerwagens in dieser Hinsicht etwas
großzügiger sein darf. Ich habe vor, mein Vaude-Leichtgewichtszelt, meinen Schlafsack
und meine Isomatte mitzunehmen, da es nicht viele preisgünstige
Übernachtungsmöglichkeiten auf der Strecke gibt.
Tag 1: Köln
Heute beginnt meine Wanderung auf der Via Coloniensis - und offensichtlich auch der
Herbst.
In der vergangenen Woche hatten wir - wie alle zwei Jahre - eine gemeinsame
Wanderwoche mit zwei befreundeten Ehepaaren, dieses Mal im Odenwald und im
Spessart in der Nähe von Miltenberg am Main. Im Hotel/Gasthof Ohrnbachtal waren wir
hervorragend untergebracht und wurden mit köstlichen Speisen verwöhnt. Auch wenn es
dort direkt keinen Handyempfang gibt (man muss dazu ein paar Meter bergan laufen -
ähnlich wie im Film
"Pilgern auf
Französisch", wo alle
mit dem Handy in der
Hand um einen Baum
laufen) ist der Gasthof
sehr zu empfehlen.
Bei fünf Wanderungen
legten wir insgesamt
80 Kilometer zurück.
Soviel zur
Vorgeschichte.
Kölner Dom und Hohenzollern-Brücke
Für den Heimweg machen wir einen kleinen Umweg über Köln, wo mich Christl bei der
Jugendherberge in Köln-Deutz aussteigen lässt und dann weiter gemeinsam mit Timmi
nach Hause nach Kiel fährt. Nachdem ich in der Jugendherberge eingecheckt und 28.-€ für
Unterkunft und Frühstück bezahlt habe (12:00 Uhr mittags) wird mir mitgeteilt, dass das
(Mehrbett-)Zimmer erst in etwa einer Stunde frei wird. Ich gehe deshalb über die
Hohenzollernbrücke (das ist die mit den vielen Liebes-Vorhängeschlössern) in die City und
kaufe mir bei
Globetrotter eine
Regenschutzhülle für
meinen Rucksack. Ich
könnte zwar auch
einen Müllbeutel für
diesen Zweck
benutzen, aber eine
richtig schöne orange
Regenschutzhülle
erscheint mir als
etwas
"professioneller".
"Liebes-Schlösser" an der Hohenzollern-Brücke
Der nächste Weg geht in den Dom, wo ich
mir auch meinen ersten Pilgerstempel für
die Via Coloniensis hole. Bei einem Bäcker
genehmige ich mir einen Kaffee und ein
Stück Apfelkuchen. Am Nebentisch sitzt eine
Frau, die plötzlich ein Gespräch mit mir
beginnt. Sie ist Amerikanerin und die letzte
Nacht von Floriada nach Berlin und von da
aus über ?zwei? weitere Stationen nach Köln
geflogen. Es wird mir dann doch etwas
unheimlich, als sie anfängt mir ihre Seele
auszuschütten, so dass ich das Bäcker-Lokal
ziemlich schnell verlasse. Anschließend geht
es zurück zur Jugendherberge, wo ich mein
Zimmer (und die Bettwäsche) beziehe.
Jakobus am Portal des Kölner Domes
Da es draußen ab und zu in Strömen gießt, ziehe ich mir meine Regenjacke über. Es stürmt
ziemlich stark, und Äste fallen auf die Straße. Irgendwie ist gefühlsmäßig heute der erste
Herbsttag. Mein Weg führt mich zunächst zum Dombüro, wo ich mir den kleinen Führer
"Jakobsspuren in Köln" geben lasse und einen Cappuccino trinke. Selbstverständlich folge
ich diesen Spuren dann mehrere Kilometer, wobei der Frust immer dann aufkommt, wenn
man diese Spuren nicht sehen kann, weil die Kirche oder das Kloster geschlossen haben
oder die Spur sich in einem nicht zugänglichen Bereich befindet. Leider bekommt mir das
"Pflastertreten" mit meinen Halbschuhen nicht so gut, so dass ich es gegen 17:00 Uhr
aufgebe, den Jakobus-Spuren zu folgen. Allenthalben begegnet man Bettlern, die meist mit
"Hunde-Partnern" auf die Tränendrüsen der Leute drücken. Mir tun eigentlich nur die
Hunde leid, dass sie in solch einem Rudel leben müssen.
Zurück auf der anderen Rheinseite suche ich mir in Köln-Deutz einen Platz bei einem
Mexikaner, wo ich mein Abendessen bekomme. (Hat gut geschmeckt: Spare-Ribs!)
Morgen werde ich die ersten Kilometer von insgesamt 268 Kilometern (laut Outdoor-
Wanderführer) in Angriff nehmen. Hoffentlich bleibt es einigermaßen trocken! Ich habe
mir vorgenommen, für jeden regenfreien Tag eine Kerze im Trierer Dom zu stiften.
Tag 2: Köln - Brühl
Heute ist der erste Wandertag. Und ich habe nur 20,5 Kilometer zurückgelegt. Nicht etwa,
weil ich erschöpft bin – nein, der Grund liegt darin, dass es hier in Brühl und Umgebung
nur relativ teure Hotels ab 50€ aufwärts für eine Nacht gibt und andererseits hier ein
Campingplatz vorhanden ist, auf dem ich für unter 10€ übernachten kann. Der
Campingplatz liegt am Heider Bergsee, etwas außerhalb der Ortschaft direkt bei der
Bundesfinanzakademie. Dort gibt es sogar ein „Steuer-Museum“ (was es nicht alles gibt!).
Die Nacht in der Jugendherberge Köln-Deutz war alles andere als erfreulich: Kinder und
Jugendliche alberten
bis spät in der Nacht
auf den Fluren herum.
Ich bekam noch zwei
Zimmernachbarn, von
denen der eine um
22:00 Uhr auftauchte,
der andere um
Mitternacht. Der
letztere war sogar zu
faul, seine Betten zu
beziehen und schlief
ohne Bettwäsche – ob
es dem vor gar nichts
graust?
Pilgerweg am Kölner Dom
Römerkanal - römische Wasserleitung nach Colonia
Gegen 8:00 Uhr bin ich beim Frühstück, anschließend packe ich meine Siebensachen
zusammen und stelle fest, dass der Regenschutz gar nicht orange, sondern leuchtgelb ist –
ist auch gut! ;-) Der Rucksack passt perfekt auf mein kleines Pilgerwägelchen. Um 9:00 Uhr
heißt es dann: Abmarsch! Ich überquere die Hohenzollernbrücke und folge dem Pilgerweg
ab dem Dom. Er ist ganz gut gekennzeichnet – häufig finden sich neben dem offiziellen
Symbol auch gelb/blaue Markierungen, die mit Pinsel aufgetragen worden sind. Vielfach
ist die Jakobsmuschel „freihand“ gekünstlert. Nachdem ich die City hinter mir gelassen
habe geht es auf mehr oder weniger schönen Wegen aus Köln heraus. Teilweise führt der
Weg aber auch durch Parks. Der Outdoor-Pilgerführer schlägt sogar vor „wenn Sie die 4
km an dieser unspektakulären Hauptstraße nicht laufen wollen, fahren Sie mit der Linie18
bis…“. So etwas tut ein richtiger Pilger natürlich nicht ;-). Der Jakobsweg führt schließlich
parallel zum
Römerkanal-
wanderweg (diente zu
römischen Zeiten der
Wasserversorgung
von Colonia aus der
Eifel.)
mein Pilgerwagen
Bei einem Lidl-Markt kaufe ich ein paar Flaschen Wasser – das hat mir doch ein bisschen
gefehlt. Ich freue mich, dass ich mein Gepäck auf dem Pilgerwagen nicht spüre, er lässt
sich wunderbar leicht ziehen bis…. Ja, plötzlich ist es aus mit dem leichten Ziehen, da das
Verbindungsstück zwischen Deichsel und Wagen gebrochen ist. (Glatte Fehlkonstruktion
von mir, es waren dort ein paar Bohrungen zu viel, so dass das Material zu stark
geschwächt war. So etwas kann auch nur einem Maschinenbau Dipl.-Ing. passieren ;-).
Nach kurzem Überlegen finde ich eine Notlösung mit den Resten des Verbindungsstückes,
die halbwegs stabil aussieht.
Im Weilerhof (kurz vor Brühl), einer kleinen Privatbrauerei, will ich Rast einlegen und – wie
im Pilgerführer empfohlen – ein Bierchen trinken. Leider haben die dort Mittagspause, so
dass ich unverrichteter Dinge weiterziehen muss. Ich passiere den Kierberger Bahnhof,
auch Kaiserbahnhof genannt. Er ist angeblich einer der schönsten Bahnhöfe
Deutschlands, der extra für Kaiser Wilhelm I. gebaut wurde, da dieser oft im Schloss
Augustusburg in Brühl übernachtete. Heute ist das Bahnhofsgebäude Hotel und
Gaststätte.
Leider ist die Beschreibung des Weges zum Campingplatz im Pilgerführer auch mehr als
dürftig, d.h. sie ist
schlichtweg falsch, so
dass ich einen Umweg
von etwa einem
Kilometer laufe. Am
Campingplatz
angekommen, gönne
ich mir erst einmal
einen schönen
Cappuccino, bevor ich
mich einchecke und
anschließend direkt
am See mein Zelt
aufbaue.
Mein Zelt auf dem Campingplatz Heider Bergsee
Nachdem ich trotz ein paar Tröpfchen Regen eigentlich nicht nass geworden bin, werte ich
den Tag als regenfrei, so dass die erste Kerze fällig wird.
Tag 3: Brühl - Euskirchen
Nachdem ich gestern schon um kurz nach 20:00 Uhr mein Haupt auf das neu erstandene
aufblasbare Kopfkissen gebettet habe und auch relativ schnell eingeschlafen bin, werde
ich kurz nach Mitternacht das erste Mal wach: Es regnet Bindfäden, aber mein Zelt hält
den Regengüssen stand. Schließlich stehe ich gegen 8:00 Uhr auf und packe, nachdem ich
innerhalb des Zeltes
alles was nur ging in
den Rucksack verpackt
habe, als letztes das
triefend nasse Zelt
zusammen. Ich habe
mir den Regenponcho
angezogen, der zwar
das Wasser von außen
abhält, aber innerhalb
ein tropisches Klima
entwickelt.
Brühl: Schloss Augustusburg
Gegen 9:00 Uhr bin ich nach einem
Fußmarsch von rund 2 km in der „City“ von
Brühl, esse zwei belegte Brötchen zu einem
prima Kaffee und gehe anschließend zur
Außen-Besichtigung von Schloss
Augustusburg. Danach beginnt die weitere
Pilgerschaft, und ich spule Kilometer um
Kilometer ab. Ab 11:00 Uhr hört der Regen
auf, und ich ziehe mich zur Belustigung
mehrerer Kinder auf einem öffentlichen
Platz um. Der Regenponcho ist von außen
weniger nass als von innen! Ich benutze nun
zum ersten Mal auch das „Zuggeschirr“, das
ich mir extra zum Ziehen des Pilgerwagens
angefertigt habe. Das funktioniert wirklich
hervorragend, und ich habe nun beide Arme
frei.
Walberberg: Hexenturm
In Walberberg schaue ich mir die Kirche an und stoße dann auf den sogenannten
Hexenturm, der aus der zweiten Hälfte des 12. JH stammt. Leider gelingt es mir heute
nirgendwo einen Stempel für den Pilgerausweis zu bekommen, da die Pfarrbüros heute
aus irgendwelchen Gründen alle geschlossen haben. Hinter Walberberg laufe ich etliche
Kilometer durch tiefen
stillen Wald. Das
macht Spaß – keine
Autos und kein Lärm.
Gelegentlich begegnet
mir ein Jogger oder ein
Hund mit Besitzer. Mit
denen ergibt sich hin
und wieder auch ein
kleines Pläuschchen.
Swister Turm
Am Ende des Waldes stehe ich dann vor dem Swister Turm. Dieser Turm ist der Rest einer
ehemaligen Pilgerkirche und gleichzeitig Wahrzeichen der Stadt Weilerswist. Ich besichtige
kurz die Kirche St. Mauritius – einen Stempel gibt es wieder nicht.
Erft
Hinter Weilerswist verläuft der Pilgerweg an der Erft, die mich noch bis Bad Münstereifel
begleiten soll. Laut meinem Outdoor-Pilgerführer ist die Erft heute eher ein
Abwasserkanal. Man ist allerdings bestrebt, den Fluss zu renaturieren. Mir begegnen viele
Hundebesitzer, die offensichtlich für ihre Vierbeiner den Erftweg zur "Gassi-Gehen"
benutzen. Ab und zu entwickelt sich sogar ein Gespräch. Andere Pilger oder Wanderer
habe ich bis heute nicht gesehen.
Nach rund 23 km versuche ich in Hausweiler ein Zimmer zu bekommen. Eine
unfreundliche – der Stimme nach alte - Dame erklärt mir, dass das Zimmer 40€ kosten soll.
Selbstverständlich ohne Frühstück, sie sei schließlich krank, ich soll zufrieden sein,
überhaupt ein Zimmer zu bekommen, denn eigentlich hätte sie geschlossen. Bei so viel
gutem Willen dieser Hotelbesitzerin entschließe ich mich das Angebot abzulehnen und
buche telefonisch für 50 € ein Hotel in Euskirchen (mit Frühstück). Das bedeutet aber
nochmals 7,5 Kilometer in Angriff zu nehmen. Kurz nach 17:00Uhr checke ich in
Euskirchen im Hotel ein. Mir tun nach insgesamt 31 Kilometern alle Knochen weh. Die
Hüfte fragt mich, ob das nun immer so sein wird. Meine Schultern sind total verspannt,
und die Wäsche muss gewaschen werden. Nach einer langanhaltenden heißen Dusche
mache ich Waschtag. Anschließend gehe ich essen - ich schaffe nur die halbe Portion (ich
glaube, ich werde alt).
Heute habe ich insgesamt schon 52 km geschafft. Eine Kerze gibt es für den heutigen Tag
wegen Regens nicht!
Für Morgen habe ich, nachdem die Jugendherberge dort voll belegt ist, in Bad Münstereifel
in einer Pension vorgebucht.
Tag 4: Euskirchen - Bad Münstereifel
Letzte Nacht habe ich relativ schlecht geschlafen. Immer wieder flehte mich Irgendein
Körperteil an: „Dreh Dich um, entlaste mich, kannst Du nicht auf der anderen Seite
liegen?" Nachdem ich mich also wunschgemäß immer mal wieder anders hingelegt habe,
klingelt glücklicherweise um 8:30 Uhr der Wecker. Ich packe alles zusammen und gehe
zum Frühstück. Im Gegensatz zur Unterbringung im letzten Zimmer des Hotels (war nicht
besonders gemütlich, der Portier meinte auch, das wäre die Abstellkammer) ist das
Frühstück 1a! Bevor ich abmarschiere, massiere ich meine Füße mit Hirschtalgcreme ein.
Meine Hüfte sagt mir:
Alles in Ordnung, Du
kannst heute
ordentlich laufen“.
Meine rechte Wade
mault dagegen:
„Können wir nicht mal
einen Tag Pause
machen?“ Das lehne
ich ab, und ich
marschiere los.
Kirche St. Martin in Euskirchen
Im Pfarrbüro von Euskirchen bekomme ich endlich mal wieder einen Stempel für meinen
Pilgerausweis. Meine Frage, ob die Kirche geöffnet sei, wird bejaht. Als ich aber an der
Pforte ziehe, rührt sie sich keinen Millimeter. Also ziehe ich ohne Kirchenbesichtigung aus
Euskirchen aus. Dabei ist die erste halbe Stunde geprägt von kleinen
Industrieansiedlungen, dem Blick auf eine noch funktionierende Zuckerfabrik mit ihrem
weißen Dampf ausstoßenden Schornstein und etliche Industriebrachen. Dann wird es
wieder ländlich. Ich durchquere Stotzheim, Arloff und Iversheim. Nachdem es morgens,
bevor ich
losgegangen bin, noch
einmal geregnet hat,
ist heute meistens
blauer Himmel zu
sehen. Ab und zu zieht
eine schwarzgraue
Wolke auf, aus der es
leicht nieselt, aber
nicht so viel, dass das
Regenzeug angezogen
werden muss. Ich bin
heute großzügig: dafür
gibt es eine Kerze!
Hardtburg
Hinter Stotzheim komme ich an der Hardtburg vorbei. Sie wird von etlichen Schulklassen
umschwärmt, die hier offensichtlich heimatkundlichen Unterricht haben. Die Wasserburg
entstand wahrscheinlich im 11. Jahrhundert und ist sehr sehenswert. In Arloff ist ein kleine
Kapelle, die Hubertuskapelle, ganz interessant, sie stammt aus dem 14. Jahrhundert. Der
Weg wird langsam
auch etwas hügeliger,
so dass es ab und an
auch bergauf oder
bergab geht. Im
Übrigen: Bis hierher
hätte ich die Via
Coloniensis auch noch
mit dem Liegerad
geschafft, weil alles
doch relativ eben ist.
Hubertuskapelle
Unterwegs stelle ich fest, dass das Aluminiumrohr, mit dem die Deichsel mit dem
Pilgerwagen verbunden ist, erneut total verbogen ist. Also überlege ich mir, was ich tun
kann. Da fällt mir ein, dass ich einen Ast entsprechend zuschneiden könnte, dass er das
Alu-Röhrchen passgenau ersetzt. Eie halbe Stunde bearbeitete ich mit meinem schönen
Messer, das ich von den Kollegen der Landesfeuerwehrschule zum Abschied bekommen
habe, den Ast, bis er passend ist. Im Moment eine perfekte Lösung – mal sehen, wie lange
sie hält.
Kurz vor Bad Münstereifel mündet der von Bonn kommende Jakobsweg auf meinen Weg
ein. Ich durchquere das reizende Städtchen und gelange auch bald zu der von mir gestern
vorgebuchten
Pension. Eine reizende
ältere Dame begrüßt
mich. Der Preis für
Unterkunft und
Frühstück beträgt 24
€. Ich darf mein Zelt,
das immer noch
klitschnass ist, auf der
Terrasse zum
Trocknen aufstellen.
.
Blick über Bad Münstereifel
Ich gehe nochmals zurück nach Bad Münstereifel, hole mir im Pfarramt den Stempel für
meinen Pilgerausweis. Anschließend ist Sightseeing angesagt. Insbesondere die Kirche „St.
Chrysantus und Daria“ ist wirklich sehenswert. Es macht Spaß, das nette Städtchen
anzuschauen und dabei auch ein paar Sonnenstrahlen und blauen Himmel zu genießen.
In einem Lebensmittelladen kaufe ich mir ein wenig für eine abendliche Brotzeit ein. Das
Zelt ist inzwischen trocken! Prima.
Für Morgen habe ich in Blankenheim in der Jugendherberge ein Zimmer vorgebucht. Mir
wird versprochen, dass ich das Mehrbettzimmer allein für mich habe.
Kerzensaldo für den 4. Tag: 2 Kerzen
Tag 5: Bad Münstereifel - Blankenheim
Meine Pensionswirtin,
Frau Kröger, eine
nette alte Dame von
etwa 80 Jahren,
bereitet mir ein feines
und reichhaltiges
Frühstück - ich darf
mir sogar noch zwei
Stullen zum
Mitnehmen machen.
Eifellandschaft
Bei blauem Himmel nehme ich die nächste Etappe in Abgriff. Mein heutiges Ziel ist
Blankenheim mit einer in einer alten Burg untergebrachten Jugendherberge. Zunächst
aber geht es von Bad Münstereifel einmal steil bergauf, so dass ich ein paar Mal Päuschen
machen muss. Als ich die Höhe erklommen habe, geht es eiligen Schrittes weiter, den
Pilgerwagen im Schlepptau. Der Weg schlängelt sich durch Wäldchen, entlang von Wiesen,
teilweise wird die bisherige Anstrengung durch wunderschöne Ausblicke belohnt.
Langsam ziehen wieder dunkle Wolken auf, und ein schneidend kalter, heftiger Wind
kommt auf, der mein Fortkommen erschwert. Die Wegstücke durch die Wälder sind
absolut einsam, kein Laut ist zu hören, nur das Rascheln der Blätter, das Knarzen der
Zweige und ab und zu das Zwitschern von Vögeln.
Im Wald ist der Weg teilweise sehr schlecht, ich muss zusehen, ohne nasse Füße
durchzukommen und mein Pilgerwägelchen unbeschadet aus den Matschlöchern zu
bekommen. Mir
begegnet außerhalb
der Ortschaften kaum
eine Menschenseele.
ab und zu spreche ich
Leute mit Hund an
oder unterhalte mich
mit einem Bauern, der
seinen Kofferraum voll
mit Eiern geladen hat.
Dann geht es wieder
auf lange einsame
Streckenabschnitte.
Ahekapelle Engelgau
Rund 8 Kilometer vor meinem heutigen Ziel sehe ich direkt neben der Straße eine kleine
Kapelle, die Ahekapelle Engelgau, wunderhübsch gelegen. und was das Beste ist: Es liegt
sogar ein Stempel aus, mit dem man seinen Pilgerausweis selbst stempeln darf (der
Stempel ist aber mit einer Kette gesichert, sonst könnte ihn ein frommer Pilger stehlen!).
Hier mache ich eine längere Rast und sinniere, ob mir diese Wanderung das gibt, was ich
mir erwartet habe. Ich komme zu dem Schluss, dass es vom Weg und von der Landschaft
her wirklich viel Spaß macht, dass mir aber die nötige Kommunikation fehlt. Ich brauche
einfach jemanden, mit dem ich mich austauschen kann! Anders ausgedrückt: Ich fühle
mich einsam. Andere
Pilger habe ich nicht
getroffen. Ich denke,
dass das ein
gravierender
Unterschied zum
Pilgern in Spanien ist,
wo man sich
manchmal die
Einsamkeit suchen
muss.
Ahrquelle
Noch 8 Kilometer entlang von fast schnurgerade verlaufenden Waldwegen, und ich habe
die Jugendherberge
erreicht. Ich mache
mich stadtfein,
besichtige das kleine
Städtchen und die
Ahrquelle, die hier
entspringt, aber relativ
unspektakulär ist. Ich
esse bei einem
Chinesen mein
Abendmenü und
steige anschließend
wieder zur Burg
hinauf.
Stadtansicht Blankenheim - oben die Jugendherberge
Für diejenigen, die meinem Blog bisher gefolgt sind, muss ich nun ein Geständnis machen
und sie gegebenenfalls enttäuschen: Bei den Überlegungen an der Ahekapelle habe ich
mich entschieden, meine Pilgerfahrt nach nur 90 Kilometern abzubrechen und morgen
mit der Bahn nach Hause zu fahren. Nicht die körperlichen Anstrengungen haben zu
diesem Entschluss geführt, sondern die Belastungen aufgrund des fehlenden
Miteinanders.
Nachdem es heute nicht geregnet hat, sind nunmehr insgesamt drei Kerzen fällig - wird
nun wohl nicht in Trier sein, aber ich werde die drei Kerzen bestimmt anzünden!
Nachbetrachtung
Wenn ich mir meine nur etwas kurze "Via Coloniensis" rückblickend betrachte, dann sind
"zwei Seelen ach in meiner Brust"! Zum einen bin ich in der Zwischenzeit ein wenig
wehmütig, weil ich abgebrochen habe, andererseits habe ich doch wieder ein paar
Erfahrungen gemacht und vieles Schönes gesehen.
Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass es für mich das Beste war aufzuhören, weil es
mir einfach zu einsam war, obwohl ich mit Sicherheit weiter gemacht hätte, wenn ich ein
richtiges Ziel vor Augen gehabt hätte. Hier war es eigentlich aber "nur" Trier, eine
Zwischenetappe auf dem Jakobsweg - für mich nicht wirklich so sehr erstrebenswert.
Irgendwie war es merkwürdig, dass viele Menschen, die mir begegneten irgendwie einen
Schreck bekamen, wenn man sie grüßte (ist das eine typische Eigenart der Deutschen?).
Manchmal konnte ich jemandem, dem ich begegnete (meistens Hundehaltern) ein kurzes
Gespräch "aufdrängen", das aber meistens schnell erschöpft war. In Frankreich und
Spanien waren Leute, denen ich begegnete viel offener und manchmal auch neugieriger,
das hat mir in der Eifel doch ein wenig gefehlt.
Auf der anderen Seite war es - zumindest an den letzten drei Tagen - eine wunderschöne
Strecke, die landschaftlich und auch historisch so einiges zu bieten hatte. Vielleicht lässt
sich in einem der nächsten Jahre das Reststück mit Begleitung umsetzen.
Ich habe festgestellt, dass ich trotz meiner etwas lädierten Hüfte Tagesmärsche von
durchschnittlich 25 km durchaus schaffen kann. Schmerzen hatte ich eigentlich nur
nachts, was sich aber ertragen ließ. Diese Erfahrung bestärkt mich darin, mein bisher
etwas vage geplantes Vorhaben für das nächste Jahr umzusetzen:
Da möchte ich nun tatsächlich im September den Camino del Norte von San Sebastian
nach Santiago de Compostela an der Nordküste Spaniens gehen. Ich weiß zwar, dass das
eine Herausforderung sein wird, aber der Reiz liegt für mich darin, dass das zum einen
einer der ältesten Pilgerwege ist, dass er landschaftlich unheimlich reizvoll ist und dass
auch nicht die Massen an Pilgern diesen Weg gehen, wie auf dem Camino Frances, aber
immerhin so viele, dass man immer mal wieder Mitpilger trifft, mit denen man auch mal
"ratschen" kann.
mein Pilgerausweis - eigentlich sollten es ein paar mehr Stempel werden