16. Tag - 16. Juni
16. Tag: Thionville - Metz
Tagesleistung: 35 km
Gesamtstrecke: 1.025 km
Wetter: Ganztägig Wechsel zwischen Bewölkung mit Regen
und Sonne
Temperatur um 19:00 Uhr: 26 Grd. C
Die erste Nacht im Zelt ist irgendwie nicht so lustig: Erst
kann ich nicht einschlafen, weil alles ungewohnt ist. Der
Schlafsack ist mal zu eng, dann auf der falschen Seite, das
Kopfkissen fehlt mir, so dass ich Klamotten zur
Kopfunterlage umfunktioniere, draußen wird gelacht und
geschrien - die Nacht ist insgesamt ungemütlich. Um 6:30
Uhr stehe ich deshalb auf, dusche mich, baue das Zelt ab
und frühstücke mit 1½ Brötchen und Mineralwasser als
Kaffee-Ersatz - nicht gerade das, was ich mir als Frühstück
vorstelle!
Um 8:00 Uhr verlasse ich den Campingplatz von Thionville, wobei ich durch die Madame des Platzes wort- und gestenreich
verabschiedet werde. Kaum dass ich Thionville hinter mir habe, fängt es an zu regnen. Heftiger Gegenwind frisst meine
Kräfte auf. Für rund ½ Stunde trotze ich den Witterungsunbilden, dann suche ich Schutz unter einer Brücke. Nach gut einer
viertel Stunde hört es glücklicherweise auf zu regnen. Ich fahre längs des parallel zur Mosel führenden Radweges Richtung
Metz. Zweimal ist der Weg wegen Bauarbeiten gesperrt, und das Schild "Deviation" (Umleitung) ermuntert, eine andere
Richtung einzuschlagen. Leider weiß ich dann nicht mehr, wie es weiter geht, weil die Umleitung nicht weiter ausgeschildert
ist. Also erneut per Karte und GPS den richtigen Weg suchen, was dann auch gelingt. In Frankreich sind andere Radfahrer
übrigens in aller Regel sehr freundlich. Auch Rennradfahrer grüßen mit einem netten "Bon Jour".
Schließlich erreiche ich gegen Mittag Metz und finde sogleich den Camping Municipal. Ich habe beschlossen, bereits nach
solch einer kurzen Tagesetappe Pause zu machen, da Metz so einiges an historischen Bauten zu bieten haben soll und ich
somit ein wenig Zeit dafür habe, es anzusehen.
Auf dem Campingplatz darf ich mir einen Platz am Ufer der Mosel aussuchen
und baue sogleich das Zelt auf - es geht wesentlich einfacher als am Tag zuvor.
Nach einer ausgiebigen Dusche und dem Einlegen eines Waschtages packe ich
dann meine Tasche mit den
Wertsachen und gehe in die
Stadt (Zentrum ca. 800 m
vom Campingplatz entfernt).
Ich besichtige die Kathe-
drale, die wirklich sehr
beeindruckend ist: ein sehr
hohes Kirchenschiff, große
Glasfenster. Leider hat der Dom-Shop noch geschlossen, so dass es
noch keinen Stempel gibt. Diesen hole ich mir etwas später ab. Dann
besichtige ich die Altstadt von Metz bzw. habe es vor. Leider fängt es an
zu regnen, so dass mich die Lust dazu verlässt. Aus Frust setze ich mich
in ein Straßencafé, trinke
zwei "Kaffee petit"
(Espresso) und eine
Flasche Mineralwasser,
mache dabei ein
Nickerchen, wohl auch
um das Schlafdefizit der
vergangenen Nacht etwas
aufzuholen. Im Übrigen
muss ich feststellen, dass
in Frankreich wohl viel
mehr Leute rauchen, als
bei uns. Egal, wo man ist,
man wird durch Qualmwolken belästigt.
Nach einen Telefonat mit meiner Frau gehe ich noch einmal in
die regnerische Stadt … und sehe plötzlich eine Gruppe von
vier Männern und Frauen, die ein rotes T-Shirt mit der
Aufschrift "Pfälzer Jakobspilger 2021" anhaben. Ich spreche
sie an und es entwickelt sich ein nettes Gespräch, das ich mit
Monika, Beate, Hannelore und Walter in einem Café fortsetze.
Beate lädt uns alle auf einen Kaffee Creme ein. Die Gruppe, zu
der sie gehören, (insgesamt etwa 20 Personen) ist eine "Lazy-
Pilgergruppe". Sie tragen nur das Tagesgepäck, der Rest wird
mit dem Bus transportiert. Gleichwohl sind sie in neun Tagen
rund 200 km bis Metz gelaufen. Nächstes Jahr soll es dann ab
Metz weitergehen. Im Jahr 2021 wollen sie in Santiago
ankommen. Es ist ein sehr anregendes und informatives
Gespräch, das mich den (Nieselregen-)Frust der letzten
Stunden vergessen lässt; für mich sind es richtig
beglückende Momente, sich mit diesen Menschen
austauschen zu dürfen.
Das Wetter ist wieder gut geworden, die Sonne scheint, so
dass ich meinen Stadtbummel fortsetzen kann. Ich kaufe
mir meine Brotzeit für den Abend ein und suche einen
Laden, wo ich Ersatz für meine Computer-Mouse kaufe
(ohne Maus habe ich erhebliche Probleme beim Schreiben).
Anschließend gehe ich gemütlich zurück zum
Campingplatz. Dort ordne ich meine wieder nass
gewordene Wäsche und beginne Abendbrot zu essen. Nebenan hat sich ein Fahrrad-Zeltler angesiedelt, den ich auf ein Glas
Rotwein (sein Glas besteht aus einem Blechbecher) einlade. Das ist Dag aus Schweden, der mit seinem Fahrrad am
gleichen Tag wie ich aus Schweden über Trelleborg und Rostock losgefahren ist. Wir unterhalten uns längere Zeit,
hauptsächlich auf Englisch, über dies und das. Er will noch weiter in den Süden fahren, hat aber noch kein Ziel. Ende Juli
muss er wieder zurück in Schweden sein.
Nachdem das Tagebuch abgeschickt ist, gehe ich noch einmal in die Campingplatz-Wirtschaft, um ein Bier zu trinken. Dabei
komme ich mit einem Ehepaar aus der Nähe von Bremen ins Gespräch, das mit seinem Caravan wieder auf dem Weg nach
Hause ist. Die beiden sind an vielen Stellen in Frankreich, die meine Frau und ich auch bereits mit dem Wohnmobil
abgefahren haben, gewesen. So entwickelt sich ein lang andauerndes Gespräch, bei dem wir viele Erinnerungen
austauschen.
Anschließend tüftele ich im Zelt noch einige Zeit an der morgigen Route.
Nachdem ich heute die 1.000er-Marke geknackt habe, habe ich noch rund 2.300 km vor mir - das sind rund 500 km mehr, als
ich ursprünglich geschätzt habe.
Erkenntnis des Tages: Auf Frust folgen auch beglückende Momente!